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Es ist mir manchmal zuviel!

Ein massives Problem bei Unterrichtsstörungen ist der Verlust der Kontrolle über das Geschehen in der Klasse. Im Handumdrehen kann eine Schülerin/ein Schülerin durch das Übertreten von Regeln Macht gewinnen. Gleichzeitig zeigt sich, Macht im Sinne der umfassenden Kontrolle ist kein Mechanismus, der Unterricht sinnvoll steuern kann und es werden in dem scheinbar einfachen, alltäglichen Beispiel so viele Aspekte deutlich, die Belastungsfaktoren des Lehrberufes darstellen können (das Thema "Macht und Unterricht" wäre noch so manchen Exkurs wert).

 

Gegen den Einzelfall bzw. in der singulären Situation lässt sich leider häufig so gut wie nichts vorbeugend machen. Die Reaktion ist jedoch von großer Bedeutung; Rezepte und 08/15 Hinweise sind nicht möglich. Reaktionen/Aktionen sind vom Einzelfall und der jeweiligen Situation abhängig. Was ist wem wie passiert?
Zumeist/Häufig hilft eine humorvolle und direkte Aktion, die damit der Lehrerin/dem Lehrer wieder die Gestaltung überträgt. Je mehr im Sinne einer Machtdemonstration auf Störung eingegangen wird, umso mehr gerät der eigentliche Anlass in den Hintergrund, die Erlangung der Macht über die Situation gerät in den Vordergrund und kann nicht nur den eigentlichen Unterricht, sondern vor allem auch die Beziehung zu den Schülerinnen/Schülern zerstören/belasten - und nicht nur die zu den störenden Schülerinnen/Schülern. Vielleicht ergibt sich nach der Stunde die Möglichkeit, das Geschehen mit der Schülerin/dem Schüler zu besprechen, damit auch die Beziehung mit der Schülerin/dem Schüler um ein neues Stück zu erweitern. Es gehört zur professionellen Umgangsform mit Störung und Verhaltensauffälligkeit, dass man sich die notwendige Zeit nimmt, die Betroffenen und die notwendigen Expertinnen/Experten (Direktor/in, Beratungslehrer/in, Schulpsychologin/Schulpsychologe, Sozialarbeiter/in, ...) beizuziehen. Die Lehrerin/Der Lehrer ist Experte für ihren/seinen Bereich - und das ist die Schule und der Unterricht! Für andere Bereiche sind andere Personen Expertinnen/Experten und deshalb unbedingt beizuziehen. Lehrer/innen müssen nicht alles selbst lösen!!!
In diesem Zusammenhang sei der Faktor "Geduld" besonders betont. So häufig wird etwas unternommen, dazu tw. viel Energie aufgewendet, doch die Wirk- und Umsetzphase nicht erreicht, weil zuwenig Zeit gegeben wird. Erziehung braucht Zeit, Liebe/Beziehung, Geduld, Vorbild, und dann noch ziemlich viel Zeit.

 

Der Bereich der Unterrichtsentwicklung ist ebenfalls in die Betrachtung obiger Frage eingeschlossen. Es stehen uns heute unzählige Studien zu gelingendem Unterricht aus unterschiedlichsten Perspektiven zur Verfügung. Der Grundsatz der Methodenfreiheit vor dem Hintergrund des Rahmenlehrplans ermöglicht es Lehrerinnen und Lehrern, ihren eigenen Unterricht zu entwickeln, neue Methoden/Unterrichtsformen zu erforschen und in der eigenen Praxis zu erproben, das eigene professionelle Handeln zu erforschen. Neben der Möglichkeiten der Lehrerfort- und -weiterbildung (http://www.ph-noe.ac.at/fortbildung.html) können einfachst und bequem Ideen zur Weiterentwicklung gewonnen werden (z.B. http://www.youtube.com/watch?v=hMqJzq8O6jI). Es sei auf die Literaturliste im HeLv verwiesen. Auch in diesem wichtigen Bereich zeigt sich, dass wir Lehrerinnen/Lehrer den Schritt aus dem Einzelkämpfertum zur Teamarbeit wagen müssen, denn gemeinsam sind wir stark und können schwierige Teile unseres Berufes (siehe obige Frage als Ausgangspunkt) gemeinsam erfolgreich angehen.
- "Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer!" (Seneca)

 

Schließlich ist die psychische Belastung nach wiederkehrenden Störungen/Gestaltungsverlusten ebenfalls genau zu betrachten. Störungen, die laufend zum Scheitern der Unterrichtsvorhaben führen, die die eigene Autorität untergraben, die Versagen offenbaren, das aber durch externe Störungen verursacht ist, lösen auf Dauer überhöhte psychische Belastungen + allfällige Symptome von Neurose bis BurnOut aus. Es liegt an uns als Lehrer/innen aber auch als System Schule diese Problematik genau zu betrachten und nicht zuletzt ist auch HeLv-Helpdesk für Lehrer/innen verhaltensauffälliger Schüler/innen eine Form der Unterstützung. Es ist neben der bewussten Reflexion des eigenen Handelns immer wieder auf das Teilen der Unterrichtserfahrung mit Kolleginnen/Kollegen, Beratungslehrerin/Beratungslehrer, Direktorin/Direktor, Supervisorin/Supervisor, Kontakt zu HeLv, ... an erste Stelle zu setzen. Über die Darstellung und Reflexion einer bestimmten Situation und gezielte Fragen der aufmerksamen Zuhörer/innen können neue Handlungsmöglichkeiten für die spezielle aber auch für zukünftige Momente entwickelt und gefunden werden. U.U. hat ein bestimmter Konflikt mit einer bestimmten Schülerin/einem bestimmten Schüler mit eigenen Anteilen zu tun, die auf diese Weise geklärt werden können. Gleichzeitig ermöglicht eine Bearbeitung belastender Umstände einen neuen Blick auf diese. Es sei an dieser Stelle wiederum betont, dass Verhalten, auch wenn es von außen völlig unsinnig und störend erscheinen mag, für die Agierende/den Agierenden immer!! Sinn macht. Die Lehrer/innen einer Schule mit sehr vielen schwierigen Schülerinnen und Schülern treffen sich beispielsweise täglich! nach dem Unterricht im örtlichen Kaffeehaus, um den Vormittag nachzubesprechen, schwierige Situationen zu klären und neu zu betrachten, manches vielleicht auch humorvoll zu betrachten und so aus der Schule in den Nachmittag, der mit Vorbereitungen für den näcshten Tag ausreichend gefüllt ist, unbelastet einsteigen zu können. Reflexion und Nachbesprechung braucht nicht immer Sesselkreise und Seminarhäuser als Rahmen, der zum Gelingen beiträgt! Professionelle Auseinandersetzung kann an vielen Orten geschehen, es ist professionelle Einstellung, Offenheit gegenüber neuen Sichtweisen und eine kritische (=reflektierende und nicht abwertende) Haltung dem eigenen Handeln gegenüber, die auch eine Wiese zum idealen Ort der Auseinandersetzung macht.

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27. Oktober 2010 | Erscheinungsformen der Verhaltensauffälligkeit | Unterricht