Die Eroberung kindlicher Erfahrungswelten durch die Medien wurde spätestens Ende der 1980er Jahre ein breit diskutiertes Thema, nachdem Neil Postman in seinem gleichnamigen Bestseller das Verschwinden der Kindheit prognostiziert hatte. Postman argumentierte bereits vor 30 Jahren, dass sich durch die Medialisierung der Kindheit die Grenze zwischen Kindern und Erwachsenen zunehmend auflöse.
Durch das Fernsehen sei der gesamte Inhalt der Erwachsenenwelt auch jedem Kind zugänglich geworden. Eine Folge davon sei, dass sich auch Gewalt von Kindern von denen der Erwachsenen immer weniger unterscheiden würde. Auch dreißig Jahre danach sprießen populärwissenschaftliche Sachbücher aus dem Boden, in denen vor der medialen Verblödung der Kinder gewarnt wird: Titel wie "Digitale Demenz", "Die Lüge der digitalen Bildung: Warum unsere Kinder das Lernen verlernen" oder "Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht" künden von der grassierenden Sorge um die Auswirkungen von brutalen Computerspielen oder der Allgegenwart des Handys und der sozialen Netzwerke.
Doch wieviel Bestand haben die Thesen von den negativen Auswirkungen des Internets in der Forschung? Und wie hilfreich sind solche einseitigen, überzogenen Warnrufe, um eine breite, vorurteilslose Diskussion über die "richtige" Mediennutzung von Kindern in Gang zu setzen? Schon formieren sich Gegenstimmen zum Kanon der alarmierenden Behauptungen, die das Rad der Zeit wohl am liebsten in das prädigitale Medienzeitalter zurückdrehen würden. Kürzlich erschienene Bücher wie "Digitale Hysterie: Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen" bezeugen, dass sich mittlerweile auch die Kritiker/innen der "hysterischen" Medienkritiker/innen formieren.
Die teilweise maßlos empfundene Mediennutzung der Kinder ist jedoch nur eine Seite der Medaille, werden Kinder doch zunehmend auch von den Medien selbst vermarktet: ob in der Werbung als Werbeträger oder im Fernsehen in Sendungen wie "Deutschland sucht den Superstar Kids" - auch hier haben sich die Grenzen zwischen der Erfahrungswelt der Erwachsenen und der der Kinder zunehmend verwischt. Doch wie erleben Kinder selbst ihre eigene Vermarktung, wie etwa der heute elfjährige Jonas Kaurek, der als Zehnjähriger ein Buch über seinen abwesenden Vater veröffentlichte, das hohe mediale Wellen schlug?
Ob Medienkonsum oder mediale Vermarktung, die Zauberformel für den pädagogisch richtigen Umgang mit Medien wurde noch nicht gefunden. Dessen ungeachtet sucht Johannes Gelich in dieser "Radiokolleg"-Reihe Auswege aus der verfahrenen Diskussion rund um die mediale Belagerung unsere Kinder.