Ritzen bzw. sich-selbst-Schneiden gehört zu selbstverletzenden Verhaltensweisen zu denen auch massive Nägelkauformen, Stechen mit Nadeln, Ausreißen von Haaren, Schlucken ätzender Flüssigkeiten, sich-selbst-mit-Zigaretten-Verbrennen oder das Schlagen des eigenen Körpers zählt. Dabei unterscheidet man zwischen offenen Selbstverletzungen (man weiß, dass man sich verletzt und kann das auch zugeben), artifiziellem Selbstverletzen (man verletzt sich, täuscht eine Erkrankung/Verletzung vor und meint, dass die Erkrankung/Verletzung mit dem eigenen Verhalten nichts zu tun hat und simulativem Selbstverletzen (man verletzt sich, um etwas nicht tun zu müssen)
Selbstverletzendes Verhalten wird nicht als eigene psychische Erkrankung anerkannt, ist aber so gut wie immer mit anderen Störungen/psychischen Erkrankungen wie Borderline-Symptomatik, Essstörungen (Anorexie und Bulimie), Depressionen, sexuellem Missbrauch, bis hin zu Persönlichkeitsstörungsmustern, verbunden.
Autoaggressives Verhalten mit Selbstverletzung ist - und es ist damit von "normalem schwierigem Pubertätsverhalten“ abzugrenzen!!! - krankheitswertig und daher nicht allein mit einigen Gesprächen oder abwertendem "Was soll der Blödsinn"-Kommentaren abzutun.
Hinter diesem Verhalten steckt die Unmöglichkeit „negative“ Gefühle wie Wut, Trauer, Angst, Hilflosigkeit, Einsamkeit adäquat auszudrücken (auch hier zeigt sich, dass Verhalten für die/den Betroffenen subjektiv Sinn macht).
Betroffen sind Menschen, die:
"- sich selbst nicht leiden können und sich verneinen
- sehr empfindlich auf Ablehnung reagieren
- chronisch ärgerlich sind, normalerweise auf sich selbst
- dazu neigen, ihre Angst zu unterdrücken
- einen hohen Grad aggressiver Gefühle besitzen, was sie sehr stark mißbilligen und dann häufig unterdrücken, oder nach innen lenken
- impulsiver sind und es an Impulskontrolle mangelt
- dazu neigen nach ihrer momentanen Stimmungslage zu handeln
- dazu neigen, in den Tag hinein zu leben und nicht weiterzuplanen
- die depressiv und selbstmordgefährdet/selbstzerstörerisch sind
- unter chronischen Angstzuständen leiden
- leicht reizbar sind
- die sich selbst als nicht fähig erachten, mit Situationen und Emotionen umzugehen
- keine vielfältigen Möglichkeiten der Verarbeitung und Bewältigung besitzen
- glauben, daß sie nicht die Fähigkeit besitzen, ihr Leben zu meistern
- dazu neigen, "den Kopf in den Sand zu stecken", vermeiden Probleme
- kein Selbstvertrauen besitzen
- sich als machtlos empfinden
- sich überall, wo sie sind, allein fühlen
- sich emotional niemandem anvertrauen, sich auf niemanden verlassen können" (http://www.rotetraenen.de/?main=svv&sub=wer, 2010_11_13)
Ca. 26% der Jugendlichen zwischen 13 und 14 Jahren, 28% der Jugendlichen zwischen 15 und 16 Jahren verletzen sich in irgendeiner Weise selbst und tun das zu 85% an Extremitäten, zumeist den Unterarmen. Die Verteilung Buben:zu Mädchen ist 1:6. Die Verletzungen werden meist verdeckt. Selbstverletzungen finden zumeist nicht in Gemeinschaft statt, die Betroffenen ziehen sich zurück und teilen ihr Verhalten auch nicht mit.
Die Reaktion auf selbstverletzendes Verhalten schwankt zwischen deutlicher Ablehnung und Mitleid. Für das Umfeld ist es wichtig, nicht wegzuschauen, nicht anzuprangern und „sozial zu bestrafen“, da dies das zurückziehende, gegen sich selbst gerichtete Verhalten nur verstärkt. Selbstverletzendes Verhalten ist ein massiver Ausdruck von sozialer Verarmung und Einsamkeit. Klare und deutliche Beziehungsangebote und konstanter!! Kontakt sind wesentliche Hilfen, die das Umfeld der Betroffenen bieten können. Da das Suchtpotiential selbstverletzenden Verhaltens sehr hoch ist (massive Hormonausschüttungen erzeugen Schmerzabwehr und Hochgefühle), brauchen Helfer/innen Unterstützung, um nicht in Verzweiflung über neuerliches Scheitern Hilfe und Kontakt abzubrechen. Für Lehrer/innen bedeutet das
a) nicht wegschauen
b) ernst nehmen und vertraulich behandeln
c) Unterstützung anbieten, ohne sich selbst zu überfordern
d) nichts zu versprechen, was man nicht halten kann
e) Kontakt zu den Erziehungsberechtigten (wenn möglich und sinnvoll)
f) sich selbst Hilfe und Unterstützung zu organisieren
g) Kontakt zu Schulpsychologischer Beratung bzw./und Beratungslehrer/in aufnehmen
Psychotherapeutische Hilfe ist für die Betroffenen unbedingt notwendig!!! Je früher Hilfe und Unterstützung geboten werden, desto höher ist die Chance der Heilung.
http://rotelinien.de/
http://www.4kraatz.de/svv.html
http://www.rotetraenen.de/
http://www.maedchen.de/artikel/Emotions-Liebe-Sex-Seele-Ritzen-_-wenn_s-der-Seele-unter-die-Haut-geht_242354.html
http://www.selbstaggression.de/
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